Deutsche Wirtschaft: Gütesiegel "Made in Germany" hat Kratzer bekommen
In der deutschen Wirtschaft hat der VW-Skandal eingeschlagen wie eine Bombe. Es herrscht Sprachlosigkeit - niemand bei den Industrieverbänden will sich öffentlich äußern. Inoffiziell heißt es jedoch, der "Image-GAU" treffe nicht nur Volkswagen oder die insgesamt stark exportorientierte Autowirtschaft.
"Das Gütesiegel 'Made in Germany' insgesamt hat kräftige Kratzer bekommen", zitiert die Agentur Reuters anonym einen führenden Wirtschaftsvertreter.
Niedersachsen besorgt - Merkel fordert Aufklärung
Inzwischen gibt es neue Reaktionen aus der Politik. Niedersachsen macht sich als VW-Großaktionär Sorgen um den Konzern. Ministerpräsident Stephan Weil hält die Gewinnwarnung des Autobauers für "außerordentlich unangenehm" und "besorgniserregend in dieser Höhe". VW hatte angekündigt, 6,5 Milliarden Euro zurückzustellen. Dadurch kommt es vermutlich im dritten Quartal zu einem Verlust.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich für "volle Transparenz" bei der Aufklärung der Abgas-Manipulationen ausgesprochen und sprach von einer "schwierigen Lage". Verkehrsverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) habe "aus meiner Sicht, soweit ich das übersehen kann" alle notwendigen Maßnahmen eingeleitet.
Dobrindt hatte bereits am Montag angekündigt, alle VW-Dieselfahrzeuge in Deutschland überprüfen zu lassen. Das soll das Kraftfahrtbundesamt mit Hilfe von unabhängigen Gutachtern erledigen. Am Mittwoch will der Minister im Verkehrsausschuss erstmals berichten.
Natürlich gibt es auch schon die ersten Witzchen über das #dieselgate von Volkswagen. Diese Karikatur von Kostas Koufogiorgios ist besonders hübsch. Er sieht bereits den nächsten Skandal auf VW zukommen.

Regierungen weltweit fordern Klarheit von Volkswagen
Elf Millionen Diesel-VW mit fragwürdiger Motorsteuerung könnten weltweit verkauft worden sein. Damit bleibt der Abgas-Skandal nicht auf die USA beschränkt. Verschiedene Länder und die EU haben sich deshalb inzwischen zu Wort gemeldet.
EU: Spezielle Kontrollen für VW-Fahrzeuge in Europa soll es zunächst nicht geben. Die Kommission behält das Thema aber im Auge.
Frankreich: Finanzminister Michel Sapin fordert Untersuchungen auf EU-Ebene. Vorsichtshalber sollten nicht nur VW-Fahrzeuge, sondern auch andere europäische Hersteller kontrolliert werden.
Italien: Die Regierung fordert Aufklärung von VW und dem Kraftfahrtbundesamt, hat aber auch eigene Kontrollen gestartet.
Südkorea: Das Land will ab Oktober eigene Untersuchungen beginnen. Schon jetzt soll aber geklärt werden, ob Fahrzeuge aus dem Volkswagen-Konzern im südkoreanischen Straßenverkehr mehr Schadstoffe ausstoßen als offiziell angegeben.
Australien: Auch hier will das zuständige Ministerium wissen, ob Diesel-Autos mit Manipulationssoftware herumfahren. Volkswagen Australien wartet auf Informationen aus Wolfsburg.

Darum geht es im Abgas-Skandal von VW
Dem Forschungsinstitut ICCT fiel eine "beträchtliche Diskrepanz" bei den Schadstoffwerten von Autos auf - je nachdem, ob sie normal gefahren oder von Prüfbehörden untersucht wurden. Die US-Umweltbehörde EPA stieß dann auf die Manipulationssoftware in den VW-Fahrzeugen, die die Abgasreinigung vereinfacht gesagt ein- und ausschalten konnte.
VW hat zunächst der EPA gegenüber, inzwischen aber auch öffentlich eingestanden, eine solche Software in den Autos installiert zu haben. Da in den USA die Abgastests an einem beliebigen Fahrzeug vorgenommen werden, das direkt vom Band kommt, musste VW quasi das Programm in allen fraglichen Modellen einsetzen, da der Konzern nicht wissen konnte, welches spezielle Fahrzeug letztlich getestet werden würde.
Damit sind automatisch alle Kunden betroffen, die solche Autos mit Vier-Zylinder-Dieselmotor in den vergangenen Jahren gekauft haben. Ihnen muss jedoch - zumindest in der Vergangenheit - nicht unbedingt ein finanzieller Schaden entstanden sein, denn durch die Abschaltung der Abgasreinigung verbraucht das Auto etwas weniger Sprit und hat auch mehr Leistung. Außerdem spritzte VW - so ist zu lesen - zu wenig Harnstoff ins Abgas ein. Dadurch hielt die entsprechende Flüssigkeit länger, die die schädlichen Stickoxide in unschädlichen Stickstoff und Wasserdampf hätte umwandeln können.
In der Zukunft müssen die betroffenen Autobesitzer jedoch damit rechnen, dass der Wiederverkaufswert sinkt.
In der EU läuft der Abgastest (NEFZ) etwas anders als in den USA. Es kommt ein Fahrzeug auf den Prüfstand, das der Hersteller präparieren und optimieren darf. So werden beispielsweise schmale und hart aufgepumpte Reifen verwendet - das vermindert den Rollwiderstand und damit den Verbrauch. Die Batterie muss nicht aufgeladen und die Klimaanlage kann abgeschaltet werden - auch das spart dem Motor Arbeit und senkt damit den Spritbedarf. So kommen sensationell niedrige Verbrauchswerte (und damit auch Schadstoffmengen) zusammen, die sich im Normalbetrieb praktisch nie erreichen lassen.
VW büßt 27 Millarden Euro an Börsenwert ein
Am Montag hatte die VW-Aktie schon 18,6 Prozent eingebüßt - die Gewinnwarnung am Dienstag hat die Talfahrt des Papiers noch einmal beschleunigt. In der Spitze ging es in Frankfurt um bis zu 23,3 Prozent auf 101,35 Euro nach unten. Am Ende schloss die Aktie mit einem Verlust von 19,8 Prozent bei 106 Euro..
Seit vergangenen Freitag, als der Abgas-Skandal bekannt wurde, hat VW damit 27 Milliarden Euro an Wert an der Börse verloren. Zum Vergleich: Die gesamte Münchener Rück, immerhin der größte Rückversicherer weltweit, ist insgesamt etwa 27 Milliarden Euro wert.
Bundesregierung wusste von Abgas-Manipulationen
Die "Welt" berichtet, dass die Technik-Tricks bei der Abgasreinigung von Autos in der Politik bekannt waren. Die Grünen hatten dazu im Sommer eine Kleine Anfrage an das Bundesverkehrsministerium gerichtet - wenn auch ohne speziellen Bezug auf Diesel- oder Benzinmodelle. Darin sprachen sie das Problem mit den Abschalteinrichtungen für die Abgasreinigung an.
Die "Welt" zitiert aus der Antwort: Die Bundesregierung teile "die Auffassung der Europäischen Kommission, dass das Konzept zur Verhinderung von Abschalteinrichtungen sich in der Praxis bislang nicht umfänglich bewährt hat".
Mit anderen Worten: Die Bundesregierung wusste, dass es die Technik gab und dass sie eingesetzt wurde - es aber bisher nicht gelungen war, sie bei Abgastests wirksam außer Funktion zu setzen.
Die Grünen sehen deshalb die Glaubwürdigkeit von Ressortminister Dobrindt erschüttert, der nach Bekanntwerden des VW-Skandals "Aufklärung und Transparenz" gefordert hatte.